PARTHENOPE
Italien 2025 – 138 Minuten
Regie: Paolo Sorrentino
Mit: Celeste Dalla Porta, Dario Aita, Gary Oldman
Die Geschichte einer ehrgeizigen, klugen und umwerfend attraktiven Neapolitanerin, die in den 1970er-Jahren nach dem Sinn des Lebens und einem beruflichen Ziel sucht und dabei auch mit Enttäuschungen und persönlichen Schicksalsschlägen konfrontiert wird. Mit einer Mischung aus mythisch überhöhter Coming-of-Age-Geschichte und episodischem Stadtporträt schafft der Film eine Welt aus anmutiger Schönheit, melancholischer Dekadenz und magischem Realismus.
Die Geschichte einer ehrgeizigen, klugen und umwerfend attraktiven Neapolitanerin, die in den 1970er-Jahren nach dem Sinn des Lebens und einem beruflichen Ziel sucht und dabei auch mit Enttäuschungen und persönlichen Schicksalsschlägen konfrontiert wird. Mit einer Mischung aus mythisch überhöhter Coming-of-Age-Geschichte und episodischem Stadtporträt schafft der Film eine Welt aus anmutiger Schönheit, melancholischer Dekadenz und magischem Realismus.
Bei ihrer letzten Begegnung, als er ihr die Antwort nicht länger vorenthalten darf, erklärt Professor Marotta endlich, was das Fach ausmacht, dem beide ihr Leben gewidmet haben: »Anthropologie heißt Hinschauen.« – »Es kommt mir vor«, erwidert Parthenope, »als hätte ich das mein Leben lang getan.« – »Nein«, beharrt der alte Mann, »das ist das Letzte, was man lernt, wenn alles andere schwindet.«
Eine rätselhafte Verbindung besteht zwischen den beiden, die im normalen Lauf der Dinge nichts gemeinsam haben dürften. Marotta ist ein Griesgram mit tragischem Familienleben. Parthenope hingegen ist ein Schoßkind des Glücks: in eine reiche Familie hineingeboren und mit einer Anmut ausgestattet, die Herzen und Türen öffnet. Sie wird umworben von Verehrern, die beinahe jede Gesellschaftsschicht Neapels repräsentieren. Aber ihre Herkunft hat sie nicht zur Trägheit animiert, sondern zur Wissbegier. So kommen sie gemeinsam der Doppeldeutigkeit von Schaulust und Erkenntnis auf die Spur, die den Kern von Paolo Sorrentinos neuem Film bildet. Das sind zwei Erzählimpulse, die sich nicht ohne Mühe verschmelzen lassen. Sorrentino, dem Maximalisten filmischer Prachtentfaltung, erscheint die Welt als ein Schaufenster des Exquisiten. Es ficht ihn nicht an, dass dem Prunkenden auf die Dauer eine gewisse Vulgarität innewohnt.
Die Neuentdeckung Dalla Porta setzt er in Szene als Verkörperung einer weniger individuellen als absoluten Schönheit, die in erlesen freizügigen Kostümen auftritt, darunter einem denkwürdigen Bikini. Von den gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen der Jahrzehnte schirmt Sorrentino sie schonungsvoll ab.
Aber zugleich hat er einen philosophischen Film gedreht, der vor Fragen und Antworten birst. Dieses Nebeneinander kann man als ein wechselseitiges Ablenkungsmanöver betrachten. In dieser Lesart wäre der Regisseur ein Voyeur auf der Suche nach einem intellektuellen Alibi, das er im Zweifelsfall stets in der Melancholie findet. Um keinen Preis will er sich dabei ertappen lassen, Parthenope bloß als Objekt männlicher Fantasien zu inszenieren. Ihr Innenleben mag unergründlich scheinen, aber es ist vor allem reich. Ihren Werdegang erzählt er als eine Pikareske, die sich nicht an verschiedenen Orten (seinem Neapel kann dieser Filmemacher, ein für Entzauberung offener Schwärmer, partout nicht entrinnen) zuträgt, sondern durch die Zeit reist.
Die interessantesten Begegnungen erlebt Parthenope mit reiferen Männern: dem ausgebrannten Schriftsteller John Cheever oder einem Kardinal von anzüglicher Leibesfülle, der berufsbedingt dem Wissen einen anderen Wert beimisst als der Professor. Bei ihnen stößt sie auf eine Doppelwertigkeit von Sein und Reflexion, die sich in geschliffen zitierfähigen Epigrammen artikuliert. Die zwei Kraftfelder des Films jedoch bleiben Dalla Porta und Orlando. Welch Kinoglück, dass sie nicht kollidieren, sondern zu einem tiefen Einverständnis finden!
( Gerhard Midding epd-film )
Im Meer wird ein Mädchen geboren. Der alte Kommandant wusste immer, dass es ein Mädchen werden würde. Er hat der Geburt von den Mauern seines Anwesens aus beigewohnt. Als hochgerufen und gefragt wird, wie das Mädchen heißen soll, blickt er auf die Stadt hinter sich und ruft: „Parthenope“. In der griechischen Mythologie ist Parthenope die Sirene, die Selbstmord beging, nachdem es ihr nicht gelungen war, Odysseus zu verzaubern. Ihr Körper wurde von der Flut an den Ort gespült, an dem heute das Castel dell’Ovo steht, und so gab sie der Stadt, die später zu Neapolis, Neapel, wurde, ihren Namen. In Sorrentos Film soll man Parthenope als so etwas wie die Verkörperung der Stadt begreifen.
Parthenope ist von erhabener Schönheit, aber sie ist eine jener seltenen Frauen, so ihr Professor, die aus dieser Schönheit keinen Vorteil herauszuschlagen versuchen. Die Männer zieht sie jedoch in ihren Bann, selbst ihren Bruder Raimondo, der immer nur einen Augenblick davon entfernt ist, mit einer Berührung Grenzen zu verletzen. Mit 18 schreibt sich Parthenope an der Universität ein. Sie will Anthropologin werden. Dabei weiß sie über die schulische Definition hinausgehend nicht, was Anthropologie eigentlich ist. Erfahren wird sie es erst, als ihr Professor in den Ruhestand tritt und sie auf seinem Platz sehen will. Das ist übrigens eine höchst bizarre Szene, da Parthenope hier auch den behinderten Sohn des Professors kennenlernt – ein Wesen, das eher zu einem Fantasyfilm, als einem Drama passen würde. Vielleicht ist das Sorrentos unmissverständlicher Hinweis darauf, dass sein Film weit abseits der Realität erzählt ist. Dass er eine Art Märchen ist. Aber auch das trifft nicht wirklich zu.
Eher schon ist er die Geschichte eines Lebens. Das einer Frau von immenser Schönheit, die nach Wissen strebt, die sich fragt, wie sehr die Liebe wirklich lohnt, und der unklar ist, wie die Vergänglichkeit alles Lebende trifft. Sie ist lebenshungrig, will Schauspielerin werden, dann wieder nicht, verliert Menschen, lernt andere kennen und ist doch von einer Einsamkeit geprägt, die vielleicht aussagen soll, dass gerade die besonders schönen Menschen allein sind, weil sich niemand wirklich für sie interessiert. Der Hauptteil des Films spielt zwischen den Jahren 1968 bis 1983, der Epilog im Jahr 2023 scheint dann zu bestätigen, dass die Schönheit auch ein Fluch sein kann, weil Parthenope zwar gebeten wurde, jemandes Frau zu werden, dies aber nie ernsthaft war. Es war immer nur von Begierde getragen.
Mit knapp zweieinhalb Stunden ist „Parthenope“ ein überlanger Film. Die Erlebnisse der Titelheldin sind episodischer Struktur, so wie es das Leben auch ist. Mit Brüchen, Änderungen, Momenten, in denen man sich selbst herausfordert. Newcomerin Celeste Dalla Porta, die zuvor vor allem als Model gearbeitet hat, ist eine echte Entdeckung. Sie trägt den Film und sie zieht das Interesse des Publikums auf sich, zumal Daria D’Antonios Kamera (sie arbeitet seit „La Grande Bellezza“ mit Sorrentino zusammen) von erlesener Schönheit ist. So sehr die Geschichte auch von einer gewissen Oberflächlichkeit getragen ist, ihr Aussehen ist frei von jedem Makel. „Parthenope“ ist wahrscheinlich der schönste Film, den man dieses Jahr auf der Leinwand sehen kann.
( Peter Osteried programmkino.de )